Der Internationale Gerichtshof hat 1945 die Nachfolge des Ständigen Internationalen Gerichtshofs (Permanent Court of International Justice) angetreten, der als internationales Gericht von September 1922 bis April 1946 seinen Sitz in Den Haag hatte. Er beruhte auf der Satzung des Völkerbundes, so dass mit dessen Ende auch der Ständige Internationale Gerichtshof nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelöst wurde.
Wegen des Zweiten Weltkrieges wurden die Richterwahlen 1939 schon nicht mehr durchgeführt, so dass alle amtierenden Richter über ihre Amtszeit hinaus weiter wirkten. Allerdings fand ab diesem Zeitpunkt keine großartige Rechtsprechung des Gerichtshofs mehr statt. Von 1940 bis zum Ende des Krieges hat der Gerichtshof ein Büro in Genf unterhalten und Verwaltungsaufgaben erledigt.
Es war unvermeidlich, dass man sich einige Gedanken über die Zukunft des Gerichts machen musste und über die Schaffung einer neuen internationalen politischen Ordnung: Im Jahre 1942 befürworteten die Außenminister der Vereinigten Staaten und Großbritanniens die Errichtung oder Wiederherstellung eines internationalen Gerichts nach dem Krieg, und der Inter-Amerikanische Juristische Ausschuss empfahl die Erweiterung der Zuständigkeiten des Ständigen Internationalen Gerichtshofs.dig. Der daraufhin Anfang 1943 von der Regierung Großbritanniens initiierte Inter-Alliierten-Ausschuss von Experten (mit Teilnahme von Juristen aus 11 Ländern) gab am 10. Februar 1944 folgende Empfehlungen ab:
- dass die Satzung eines neuen internationalen Gericht auf der Satzung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs beruhen muss;
- im Falle eines neuen Gerichtshofes sollten die beratenden Zuständigkeiten beibehalten werden;
- dass die Annahme der Zuständigkeit des neuen Gerichts nicht obligatorisch sein sollten;
- dass der Gerichtshof nicht zuständig sein sollte in wesentlichen Angelegenheiten politischer Natur
Im April 1944 fand dann in Washington eine Sitzung von Juristen statt, die 44 Staaten repräsentierten. Dieser Ausschuss wurde mit der Ausarbeitung eines Entwurfs eines Statuts für den zukünftigen Internationalen Gerichtshof, zur Vorlage bei der Konferenz von San Franzisko, die in den Monaten April bis Juni 1945 zur Erarbeitung der Charta der Vereinten Nationen zusammenkommen sollte. Der vorbereitete Satzungsentwurf des Ausschusses basierte auf der Satzung des ehemaligen Ständigen Internationalen Gerichtshofs und war damit nicht ganz neu. Dennoch sah sich der Ausschuss gezwungen, eine Reihe von Fragen offen zu lassen, die, seiner Meinung nach, von der Konferenz in San Franzisko beschlossen werden sollten:
- soll ein neues Gericht gegründet werden?
- wo soll die Stellung des Gerichts als wichtigstes juristisches Organ bei den Vereinten Nationen sein?
- Sollte die Zuständigkeit des Gerichts obligatorisch sein, und, wenn ja, in welchem Umfang?
- Wie sollten die Richter gewählt werden?
Die Konferenz entschied sich gegen eine obligatorische Gerichtsbarkeit zugunsten der Schaffung eines völlig neuen Gerichts, der ein Hauptorgan der Vereinten Nationen sein sollte. Dieses Gericht sollte auf gleicher Stufe mit der Generalversammlung, dem Sicherheitsrat, dem Wirtschafts- und Sozialrat, dem Treuhand Rat und dem Sekretariat stehen, und mit dem der Charta beigefügten Statut auch Bestandteil der Charta der Vereinten Nationen sein. Da die Satzung des ehemaligen Ständigen Internationalen Gerichtshofs bereits auf Erfahrungen aus der Vergangenheit beruhte, und es nach Ansicht der Konferenzteilnehmer nicht notwendig war, Etwas, das gut funktioniert hatte, zu ändern, ist in der Charta deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass das Statut des Internationalen Gerichtshofs auf der des ehemaligen Ständigen Internationalen Gerichtshofs beruht.
Zur gleichen Zeit wurden die notwendigen Schritte für eine Übertragung der Zuständigkeit des Ständigen Internationalen Gerichtshofs so weit wie möglich an den Internationalen Gerichtshof unternommen. Mit der Entscheidung, ein neues Gericht schaffen, war notwendigerweise auch die Auflösung seines Vorgängers verbunden. Die Richter des Ständigen Internationalen Gerichtshofs trafen sich zum letzten Mal im Oktober 1945, als beschlossen wurde, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um den Transfer aller Unterlagen an den neuen Internationalen Gerichtshofs, der wie sein Vorgänger, seinen Sitz im Friedenspalast in Den Haag hat, sicherzustellen. Alle Richter des Ständigen Internationalen Gerichtshofs sind am 31. Januar 1946 zurückgetreten und die Wahl der ersten Mitglieder des Internationalen Gerichtshofs fand am 6. Februar 1946 in der ersten Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen und des Sicherheitsrats statt. Am 18. April 1946 wurde der Ständige Internationale Gerichtshof offiziell durch Beschluss der Völkerbundversammlung aufgelöst, und der Internationale Gerichtshof trat seine Nachfolge an. Auf der ersten Zusammenkunft ist der letzte Präsident des Ständigen Internationalen Gerichtshofs, Richter José Gustavo Guerrero (El Salvador), in das gleiche Amt beim neu entstandenen lnternationalen Gerichtshof gewählt worden.